Keirin

Disziplin im Bahnradsport

Keirin (von japanisch 競輪, Keirin, deutsch „Radrennen“) ist eine Disziplin des Bahnradsports. Es handelt sich um eine aus Japan stammende Variante des Sprints; sie wird auch als „Kampfsprint“ bezeichnet.

Keirin in Kanada, Juli 2006.

Geschichte

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Keirin-Lauf bei den Bahnradsport-Europameisterschaften 2011 in Apeldoorn

Keirin wurde 1948 in Japan als Wettsport eingeführt; die Einnahmen aus den Wetten waren damals für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht.

1980 wurde Keirin in das Programm von Bahnradsport-Weltmeisterschaften für männliche Profis aufgenommen, seit 1993 wird der Wettbewerb für die Kategorie Männer Elite ausgetragen. Im Jahr 2002 wurden auch Weltmeisterschaften der Kategorie Frauen Elite eingeführt.

Seit dem Jahr 2000 ist Keirin für Männer ein olympischer Radsportwettbewerb. Bei den Olympischen Spielen 2012 wurden erstmals Medaillen in einem Keirinwettbewerb für Frauen vergeben. Der Keirin gehört auch zu den Disziplinen, die bei der seit 2021 bestehenden UCI Track Champions League gefahren werden.

Recherchen, über die die BBC 2008 berichtete, legen nahe, dass die Japanische Keirin-Stiftung (JKA) der Union Cycliste Internationale (UCI) in den 1990er Jahren drei Millionen Dollar für die Aufnahme von Keirin in das olympische Programm zahlte.[1]

Keirin in Japan, 2023

Nach den Regeln der UCI[2] werden Keirinläufe mit mehreren Fahrern über eine Distanz von etwa 1500 Metern ausgetragen. Auf 250-Meter-Bahnen wird diese Distanz nach sechs Runden erreicht. Die Anzahl der Fahrer in einem Lauf beträgt meistens sechs.

Während der ersten Hälfte der Distanz fährt ein Schrittmacher auf einem Derny oder auf einem elektrisch angetriebenen Rad vor dem Feld her und beschleunigt langsam von ca. 30 km/h auf eine Geschwindigkeit von etwa 50 km/h. Die Fahrer ordnen sich nach einer zuvor ausgelosten Reihenfolge hinter dem Derny ein und müssen diese während der ersten Runde einhalten. Die Fahrer sollen eine Position unmittelbar hinter dem Derny einnehmen.

Nachdem der Schrittmacher nach 750 Metern die Bahn verlassen hat, setzt der Finalkampf ein, der nach den Regeln für den Sprint gefahren wird.[3] Insbesondere müssen Fahrer im Zielsprint, mindestens aber in den letzten 200 Metern, ihre Fahrlinie einhalten, solange sie nicht wenigstens eine Radlänge Vorsprung haben. Taktische Manöver, um Gegner am Überholen zu hindern, sind verboten. Dabei ist der Sprintkorridor zwischen der schwarzen Messlinie und der roten Sprinterlinie zu beachten (siehe Markierung der Bahn). Ein Fahrer, der sich dort befindet, darf weder von links noch von rechts bedrängt werden, muss aber seinerseits diesen Korridor einhalten.

Turniermodus: Bei größeren Teilnehmerzahlen wird Keirin in mehreren Turnierrunden ausgetragen. Eine vorher festgelegte Anzahl an Teilnehmern erreicht dann jeweils die nächste Runde oder einen Hoffnungslauf. Die Details variieren je nach Teilnehmerzahl.

Keirin in Japan

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Keirin-Rennen in Japan
Finaler Sprint bei einem japanischen Keirin-Rennen

In Japan benutzt auch der Schrittmacher ein Rennrad, pro Lauf starten neun Fahrer. Auch ist mehr Körpereinsatz zulässig als bei Rennen der UCI. Die Fahrer tragen zum Schutz gegen Stürze einen Plastikpanzer unter ihren bunten Trikots.

Heute werden in Japan jährlich rund 15 Milliarden Euro bei 40.000 Rennen umgesetzt und die sich im Wesentlichen aus Sportwetten ergebenden Gewinne zur Unterstützung der heimischen Fahrrad-Industrie genutzt. Die Rennen werden auf 50 Radrennbahnen der JKA mit über 4000 professionellen Fahrern ausgetragen.

Um Wettmanipulationen durch Beeinflussung der Fahrer zu vermeiden, gehen die Fahrer während der Wettkampfphase in Klausur: Sie leben in speziellen Hotels neben den Velodromen und dürfen weder physisch noch per Telefon Kontakt mit der Außenwelt haben. Um eine Fahrer-Lizenz zu erhalten, müssen sie eine zehnmonatige „Keirin-Schule“ besuchen und eine Prüfung ablegen. Ausrüstung und Bekleidung sind vorgeschrieben.[4] Die Fahrer selbst sind in ein vierstufiges Leistungssystem eingeteilt. Innerhalb der Rennen der obersten Leistungsklasse findet jährlich im Frühjahr die sogenannte „Internationale Keirin-Serie“ statt, zu der erfolgreiche ausländische Rennfahrer eingeladen werden. Um sich auf die speziellen Regeln einzustellen, müssen auch sie für zwei Wochen die „Keirin-Schule“ mit Prüfung absolvieren. Mit elf Teilnahmen ist der Belgier Michel Vaarten der Ausländer mit den meisten Starts bei der japanischen Keirin-Serie. Deutsche Starter waren bisher u. a. Dieter Giebken, Michael Hübner, Sören Lausberg, Jan van Eijden, Jens Fiedler und Stefan Nimke.[5]

Der zehnfache japanische Profi-Weltmeister im Sprint Kōichi Nakano siegte in den 1970er und 1980er Jahren bei den heimischen Keirin-Serien mehrfach in Folge. International startete er allerdings nie im Keirin.

Von 1949 bis 1964 wurden bei den Keirinrennen in Japan auch Wettbewerbe für Frauen ausgetragen. 2012 wurde der Frauenwettbewerb unter dem Titel Girl’s Keirin wieder eingeführt. Die Frauen müssen, ebenso wie die Männer, die Keirinschule durchlaufen. 2014 wurde die deutsche Fahrerin Miriam Welte neben der Spanierin Helena Casas zur Teilnahme geladen.[6]

Ergebnisse bei Bahnradsport-Weltmeisterschaften

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JahrGoldSilberBronze
1980Australien Danny ClarkFrankreich Daniel MorelonDanemark Niels Fredborg
1981Australien Danny ClarkItalien Guido BontempiJapan Chiyoshi Kubo
1982Kanada Gordon SingletonAustralien Danny ClarkJapan Tōru Kitamura
1983Schweiz Urs FreulerAustralien Danny ClarkVereinigte Staaten Gilbert Hatton[7]
1984Schweiz Robert Dill-BundiItalien Ottavio DazzanSchweiz Urs Freuler
1985Schweiz Urs FreulerItalien Ottavio DazzanJapan Masamitsu Takizawa
Deutschland Dieter Giebken
1986Belgien Michel VaartenDeutschland Dieter GiebkenSchweiz Urs Freuler
1987Japan Harumi HondaItalien Claudio GolinelliSchweiz Urs Freuler
1988Italien Claudio GolinelliItalien Ottavio DazzanBelgien Michel Vaarten
1989Italien Claudio GolinelliFrankreich Patrick Da RochaJapan Masatoshi Sako
1990Deutschland Demokratische Republik 1949 Michael HübnerBelgien Michel VaartenItalien Claudio Golinelli
1991Deutschland Michael HübnerItalien Claudio GolinelliFrankreich Fabrice Colas
1992Deutschland Michael HübnerAustralien Stephen PateFrankreich Frédéric Magné
1993Australien Gary NeiwandVereinigte Staaten Martin NothsteinJapan Toshimasa Yoshioka
1994Vereinigte Staaten Martin NothsteinDeutschland Michael HübnerItalien Federico Paris
1995Frankreich Frédéric MagnéDeutschland Michael HübnerItalien Federico Paris
1996Vereinigte Staaten Martin NothsteinAustralien Gary NeiwandFrankreich Frédéric Magné
1997Frankreich Frédéric MagnéSudafrika Jean-Pierre van ZylVereinigte Staaten Martin Nothstein
1998Deutschland Jens FiedlerLettland Ainārs ĶiksisFrankreich Laurent Gané
1999Deutschland Jens FiedlerNeuseeland Anthony PedenFrankreich Frédéric Magné
2000Frankreich Frédéric MagnéDeutschland Jens FiedlerTschechien Pavel Buráň
2001Australien Ryan BayleyFrankreich Laurent GanéDeutschland Jens Fiedler
2002Australien Jobie DajkaSpanien José Antonio VillanuevaDeutschland René Wolff
2003Frankreich Laurent GanéAustralien Jobie Dajkadisqualifiziert[8][9]
2004Vereinigtes Konigreich Jamie StaffSpanien José Antonio EscuredoTschechien Ivan Vrba
2005Niederlande Teun MulderBarbados Barry FordeAustralien Shane Kelly
2006Niederlande Theo BosSpanien José Antonio EscuredoFrankreich Arnaud Tournant
2007Vereinigtes Konigreich Chris HoyNiederlande Theo BosVereinigtes Konigreich Ross Edgar
2008Vereinigtes Konigreich Chris HoyNiederlande Teun MulderGriechenland Christos Volikakis
2009Deutschland Maximilian LevyFrankreich François PervisNiederlande Teun Mulder
2010Vereinigtes Konigreich Chris HoyMalaysia Azizulhasni AwangDeutschland Maximilian Levy
2011Australien Shane PerkinsVereinigtes Konigreich Chris HoyNiederlande Teun Mulder
2012Vereinigtes Konigreich Chris HoyDeutschland Maximilian LevyVereinigtes Konigreich Jason Kenny
2013Vereinigtes Konigreich Jason KennyDeutschland Maximilian LevyNiederlande Matthijs Büchli
2014Frankreich François PervisKolumbien Fabián PuertaNiederlande Matthijs Büchli
2015Frankreich François PervisNeuseeland Edward DawkinsMalaysia Azizulhasni Awang
2016Deutschland Joachim EilersNeuseeland Edward DawkinsMalaysia Azizulhasni Awang
2017Malaysia Azizulhasni AwangKolumbien Fabián PuertaTschechien Tomáš Bábek
2018Kolumbien Fabián PuertaJapan Tomoyuki KawabataDeutschland Maximilian Levy
2019Niederlande Matthijs BüchliJapan Yudai NittaDeutschland Stefan Bötticher
2020Niederlande Harrie LavreysenJapan Yūta WakimotoMalaysia Azizulhasni Awang
2021Niederlande Harrie LavreysenNiederlande Jeffrey HooglandRussland Michail Jakowlew
2022Niederlande Harrie LavreysenNiederlande Jeffrey HooglandKolumbien Kevin Quintero
2023Kolumbien Kevin QuinteroAustralien Matthew RichardsonJapan Shinji Nakano
JahrGoldSilberBronze
2002China Volksrepublik Li NaFrankreich Clara SanchezAustralien Rosealee Hubbard
2003Russland Swetlana GrankowskajaAustralien Anna MearesRussland Oksana Grischina
2004Frankreich Clara SanchezItalien Elisa FrisoniVereinigte Staaten Jennie Reed
2005Frankreich Clara SanchezItalien Elisa FrisoniNiederlande Yvonne Hijgenaar
2006Deutschland Christin MucheFrankreich Clara SanchezChina Volksrepublik Guo Shuang
2007Vereinigtes Konigreich Victoria PendletonChina Volksrepublik Guo ShuangAustralien Anna Meares
2008Vereinigte Staaten Jennie ReedVereinigtes Konigreich Victoria PendletonDeutschland Christin Muche
2009China Volksrepublik Guo ShuangFrankreich Clara SanchezNiederlande Willy Kanis
2010Litauen Simona KrupeckaitėVereinigtes Konigreich Victoria PendletonBelarus Olga Panarina
2011Australien Anna MearesBelarus Olga PanarinaFrankreich Clara Sanchez
2012Australien Anna MearesRussland Ekaterina GnidenkoDeutschland Kristina Vogel
2013Vereinigtes Konigreich Rebecca JamesChina Volksrepublik Gong JinjieKuba Lisandra Guerra
2014Deutschland Kristina VogelAustralien Anna MearesVereinigtes Konigreich Rebecca James
2015Australien Anna MearesNiederlande Shanne BraspennincxKuba Lisandra Guerra
2016Deutschland Kristina VogelAustralien Anna MearesVereinigtes Konigreich Rebecca James
2017Deutschland Kristina VogelKolumbien Martha BayonaBelgien Nicky Degrendele
2018Belgien Nicky DegrendeleHongkong Lee Wai-szeLitauen Simona Krupeckaitė
2019Hongkong Lee Wai-szeAustralien Kaarle McCullochRussland Darja Schmeljowa
2020Deutschland Emma HinzeKorea Sud Lee Hye-jinAustralien Stephanie Morton
2021Deutschland Lea Sophie FriedrichJapan Mina SatōRussland Jana Tyschtschenko
2022Deutschland Lea Sophie FriedrichJapan Mina SatōNiederlande Steffie van der Peet
2023Neuseeland Ellesse AndrewsKolumbien Martha BayonaDeutschland Lea Sophie Friedrich

Literatur

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Wiktionary: Keirin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Keirin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Matt McGrath: Cycling cash linked to Olympics. In: Website der BBC News. British Broadcasting Corporation, 27. Juli 2008, abgerufen am 2. April 2011 (englisch).
  2. Artikel 3.2.134ff des UCI-Regelwerks
  3. Artikel 3.2.041ff des UCI-Regelwerks
  4. So ist die Übersetzung an den Rädern auf <55:12–16 festgelegt, vgl. Kai-K. Sawabe/Bertram Job: Keirin, Limburg 1996, S. 20
  5. Martina Kasprzak: „Kamst dir vor wie im Knast“. In: Schweriner Volkszeitung. Zeitungsverlag Schwerin GmbH & Co. KG, archiviert vom Original am 15. August 2007; abgerufen am 8. Dezember 2013.
  6. Achim Dreis: Fahrradführerschein für Kampfsprinter. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, 3. April 2014, abgerufen am 7. April 2014.
  7. In den Palmarès der UCI als Brite bezeichnet.
  8. Der ursprüngliche Gewinner der Bronzemedaille im Keirin, Barry Forde aus Barbados, wurde nachträglich wegen Dopings disqualifiziert.
  9. UCI Doping news. In: Cyclingnews.com. 1. Dezember 2003; (englisch).