Alles für Deutschland

nationalsozialistische Parole

„Alles für Deutschland“ ist eine Losung, die unter anderem während der Zeit des Nationalsozialismus von der Sturmabteilung (SA),[1][2] der paramilitärischen Kampforganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), verwendet wurde.

Dolch der SA mit der Gravur „Alles für Deutschland“

Gebrauch Bearbeiten

Verwendung bis zur Machtergreifung Bearbeiten

In seiner Königlichen Proklamation vom 6. März 1848 schloss der König Ludwig I. von Bayern mit den Worten ab: „Alles für Mein Volk! Alles für Teutschland!“[3]

In den 1930er Jahren finden sich auch Beispiele der Verwendung dieser Losung von Vertretern der SPD, der DNVP und der katholisch geprägten Zentrumspartei.[4] Karl Höltermann, Sozialdemokrat und geschäftsführender Bundesvorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, formulierte in einem Aufruf von 1932 unter anderem: „Wir wollen nichts für uns – alles für Deutschland!“[5] Der Bochumer Anzeiger und General-Anzeiger berichtete am 3. November 1932: „Die Deutschnationalen ließen an den Plakatsäulen einen Anschlag anbringen: Liste 5! Nicht für uns! Alles für Deutschland! Ueber Nacht begingen einige Uebeltaeter die strafbare Handlung und rissen den Satz: Alles für Deutschland! weg. Da stand es nun: Liste 5! Nichts für uns!“[6] Adolf Bertram, Erzbischof von Breslau, warb anlässlich Reichstags- und preußischen Provinziallandtagswahlen am 5. und 12. März 1933 für die Zentrumspartei: „Unser aller Pflicht ist es, am kommenden Sonntag das Gelöbnis der Treue abzulegen zur Zentrumspartei, der Partei der Ordnung und Gerechtigkeit (…) Darum am kommenden Sonntag: Alles für Deutschland. Alles für Christus!“[4]

Verwendung durch die Nationalsozialisten Bearbeiten

Auch die Nationalsozialisten machten sich den Wahlspruch zu eigen.

Das Motto fand am sechsten Reichsparteitag der NSDAP vom 4. bis 10. September 1934 Verwendung.[7][8] Während der Abschlussrede Hitlers in der Luitpoldhalle steht der Schriftzug in riesigen Lettern an der Stirnwand der Halle. Im NS-Propagandafilm Triumph des Willens von Leni Riefenstahl ist der Schriftzug beim Einmarsch in die Halle mehrfach zu sehen.

Auf den SA-Dienstdolchen, die Teil der Uniformen der SA und deren Abkömmling NSKK waren, war der Wahlspruch in die Klinge eingraviert.

Die Parole gehörte zum Repertoire in den Schriften: „Die Zeit wandelt unsere Ziele und Aufgaben, aber ewig steht über allem Tun das Wort: Alles für Deutschland!“[9]In einem Nachruf zu Viktor Lutze, Stabschef der SA, heißt es im Der SA-Führer im Mai 1943: „Viktor Lutze hat das hohe und heilige Gesetz der SA ‚Alles für Deutschland‘ bis zum letzten Atemzug erfüllt.“[10]

Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, rief bei seiner Hinrichtung 1946 „Alles für Deutschland. Deutschland über alles.“, bevor die Falltür des Galgens unter ihm entriegelt wurde.[11]

Rudolf Heß, ein ebenfalls in Nürnberg verurteilter NS-Verbrecher, sprach bei einer Fahnenweihe, bei der 24 Hakenkreuzfahnen überreicht wurden, die folgenden Worte.[12] "Sie sollen wehen als Mittelpunkt des Deutschtums und Euch mahnen und Euch die Kraft geben, Euer Leben dem Gedanken unterzuordnen: "Alles für Deutschland".

Alfred Meyer war Gauleiter und Teilnehmer der Wannseekonferenz. Nach dem missglückten Stauffenbergattentat auf Hitler äußerte er sich folgendermaßen.[13] "Kapitulieren niemals! Alles für Deutschland! Alles für unseren Führer Adolf Hitler!"

Nachdem 1933 der SA-Sturmführer Hans Eberhard Maikowski erschossen wurde, inszenierte Goebbels ein Staatsbegräbnis, um ihn zum NS-Märtyrer zu erheben. Das Grab trug als Inschrift die Losung der SA: "Alles für Deutschland"[14]

Gustloff war NSDAP-Funktionär und in der Schweiz für die NSDAP tätig. Sein Neujahrsanschreiben 1936 wurde durch folgende Worte beendet.[15] "Alles für Deutschland! Alles für unseren Führer! ......."

Otto Gruber wurde 1934 Rektor der RWTH Aachen. In seiner Antrittsrede beschwor er die Treue zu Hitler."Treue Mithilfe an seinem Werke ist unser Gelöbnis am heutigen Tage: Nichts für uns, alles für Deutschland."[16]

Johannes von Reibnitz saß für die NSDAP im preußischen Landtag und war Landesbauernführer in Schlesien. Er nutzte "Alles für Deutschland" als Teil eines Schwurs auf Hitler. "Wir wollen Ehre, Freiheit, Frieden. — Wir schlesischen Bauern bezeichnen alle diejenigen als ehrloses Gesindel, die sich dem Rufe des Führers versagen, wir dulden keinen Zweifel an unserer Gesinnung und schließen solche verräterischen Lumpen aus unseren Reihen aus. Alles für Deutschland, Adolf Hitler die Treue!."[17]

Philipp Baetzner gründete eine SA-Ortsgruppe und erteilte während der Pogrome 1938 die Befehle zur Schändung zweier Synagogen. Von 1933 bis 1945 war er Mitglied des Reichstages. In einem Artikel von 1943 nutzte er die SA Parole folgendermaßen "Alles für Deutschland und unseren geliebten Führer!"[18]

Ein Schulbuch aus den 1930er-Jahren enthält den folgenden Text "Wir hören eine kurze Rede. - Alles für Deutschland". Dazu ist ein Bild zu sehen, auf dem Hitlerjungen eine Hakenkreuzfahne hissen.[19]

Als 1938 der Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland erfolgte, wurden Dörfer und Städte mit Hakenkreuzen und NS-Parolen dekoriert. Darunter auch die Losung "Alles für Deutschland"[20]

In einem seiner schriftlichen Beiträge bezog sich der SA-Führer Ernst Röhm wie folgt auf diesen Leitsatz: „Freiwillig ist für den S.A. Mann nur der Entschluss, sich den Sturmtruppen der deutschen Erneuerung einzureihen. In dem Augenblick, wo er das Braunhemd anzieht, unterwirft er sich widerspruchslos dem Gesetz der S.A. Dieses lautet: Gehorsam bis zum Tode dem Obersten S.A.-Führer Adolf Hitler! Gut und Blut, Leib und Leben, alles für Deutschland!“[21]

Nachdem der SA-Sturmführer Horst Wessel ermordet wurde, erhob ihn die Bewegung posthum zum Märtyrer. Ein nationalsozialistischer Schriftsteller äußerte sich in einer lobenden Hymne nach Wessels Tod folgendermaßen: „Nichts für mich — alles für Deutschland, das war ihm keine Phrase. Er zeigte stets, daß er es ernst damit meinte.“[22]

Am 31. Dezember 1936 wandte Hitler sich an die Wehrmacht und ermahnte die Soldaten: "Gehorcht auch im Neuen Jahr der ewigen Losung: Alles für Deutschland!."[23]

Der esoterische Nationalsozialist und Holocaustleugner Miguel Serrano merkte zur SA-Parole an: "Der Wahlspruch auf dem Dolch der SA lautete: ‚Alles für Deutschland‘, was den Idealen des Germanenordens sehr nahekam."[24]

Den Treueschwur für das NS-Regime, der mit diesem Spruch zum Ausdruck kommt, erneuerten manche NS-Größen sogar noch im Tod. So sagte etwa Generalfeldmarschall Keitel in Nürnberg unmittelbar vor seiner Hinrichtung: "Über zwei Millionen deutscher Soldaten sind vor mir für ihr Vaterland in den Tod gegangen. Ich folge meinen Söhnen nach. Alles für Deutschland!"[25]

Auch die Hitlerjugend verwendete diesen Spruch in einer leicht abgewandelten Form.[26]

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, wurde diese Parole in einigen Neubauten angebracht, so auch am Feuerwehrturm des Feuerwehrhauses in Jänschwalde.[27]

Auch Heinrich Himmler nutzte eine abgewandelte Form der Parole in seiner Rede vor Gauleitern am 3. August 1944.[28]Der Historiker Jens-Christian Wagner urteilt: „Die Parole wurde seit den 1920er-Jahren während der gesamten Zeit des Nationalsozialismus durch die SA verwendet. Sie war ihr Leitspruch und ihr Slogan. So wie die SS den Slogan hatte ‚Unsere Ehre, unsere Treue‘ oder die Nationalsozialisten ganz allgemein Straßenzüge vollschmierten mit der Parole ‚Ein Volk, ein Reich, ein Führer‘. Das heißt, die Parole ‚Alles für Deutschland‘ war im Nationalsozialismus öffentlich omnipräsent. Sie war überall zu sehen, auf den Straßen, auf Veranstaltungen der SA, sie war auf den Dolchen der SA-Mitglieder eingraviert. Sie gehört zum Standardrepertoire der NS-Propaganda.“[29]

Nachkriegszeit Bearbeiten

SED und andere antiwestliche Parteien Bearbeiten

In der Sowjetischen Besatzungszone wurde die Parole von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands benutzt. Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl schrieben am 24. April 1946 in einem Geleitwort für die neugegründete Zeitung ihrer Partei Neues Deutschland: „Alles für Deutschland, alles für das neue Deutschland ist die Leitfahne unseres neuen Zentralorgans“.[30]

Der Bund der Deutschen, Partei für Einheit, Frieden und Freiheit bewarb sich auf einem Plakat für die Bundestagswahl 1957 mit dem Text „Nichts für Atomrüstung und NATO – Alles für Deutschland durch den Frieden – Bund der Deutschen – Partei für Einheit Frieden Freiheit“.[31]

Deutsche Reichspartei Bearbeiten

Die rechtsextreme Deutsche Reichspartei nutzte die Parole „Alles für Deutschland“ seit ihrer Gründung 1950. Meistens mit dem Zusatz „Jedem das Seine – Alles für Deutschland!“

Die sogenannte „Volksgemeinschaft“ besaß im Programm der DRP Vorrang vor Individualinteressen: „Die Gestaltung unseres Zusammenlebens nach deutscher Überlieferung aus der Mitte zwischen Freiheit und Ordnung! Das ist unser Sozialismus: Dienst an der Gemeinschaft, Ansprüche des Einzelnen und Macht der Gruppen sind dort zu beschränken, wo sie das Wohl der Gemeinschaft gefährden. Jedem das Seine – Alles für Deutschland! Nur einem würdigen Staat dient der Bürger in freiwilliger Einordnung. Der Stolz auf seinen Staat ist eine wesentliche Grundlage seiner Vaterlandsliebe.“[32]

Am 11. und 12. April 1964 wurde der DRP-Landesparteitag in Münster unter dem Motto „Jedem das Seine-Alles für Deutschland“ abgehalten.[33]

NPD und Neonazis Bearbeiten

Michael Kühnen, Mitbegründer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten, verabschiedete im Juli 1990 zusammen mit Gary Lauck, Gründer der US-amerikanischen NSDAP/AO, eine gemeinsame Erklärung mit der Parole „Wir sind wieder da! Alles für Deutschland!“[34]

Die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) publizierte in einem Artikel mit dem Titel „Rostock - der Anfang eines langen Weges“ über die Ausschreitungen in Lichtenhagen im Oktober 1992: „(…) Rostock ist der unwiderlegbare Beweis, dass die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland nicht Wirklichkeit werden darf. Die herrschenden Parteien werden trotzdem alles versuchen, ihr Vorhaben der neuen Weltordnung, also die totale Völkervermischung, mit Gewalt gegen den Willen der Bevölkerung zu verwirklichen. (…) Entlarven wir diese Umerzieher (…), indem wir (…) weiter unermüdlich für unsere Sache, gegen das Joch der Fremdbestimmung und gegen die tödliche Überfremdung kämpfen. Alles für Deutschland! FAP voran!“[35]

Auch der Neonazi Karl Polacek (FAP, Wiking-Jugend, Mentor Thorsten Heise) nutzte mehrfach die SA-Parole "Alles für Deutschland", vielfach unterschrieb er mit dieser Parole Briefe und andere Korrespondenz.[36]

Jürgen Gansel, Mitglied der NPD, Chefredakteur der Deutschen Stimme und Bundesgeschäftsführer des Nationaldemokratischen Hochschulbundes, publizierte 2001 in der Deutschen Stimme: „Entsprechend unserem Leitspruch, ‚Denken – Handeln – Siegen‘ wird der neue Vorstand den Kampf um die medial vernebelten Köpfe unserer Landsleute mit aller Entschiedenheit aufnehmen. Dem nationalen Geist wird dann eines nicht allzu fernen Tages wie selbstverständlich die befreiende nationale Tat folgen. ALLES FÜR DEUTSCHLAND!“[34]

Am 20. September 2004 meldete ein Mitglied der Berliner Alternative Süd-Ost (BASO) eine Spontan-Demonstration in Berlin-Lichtenberg noch am Wahlabend anlässlich der Wahlerfolge der DVU und NPD in Brandenburg und Sachsen unter dem Motto „Alles für Deutschland, bei jeder Wahl national“ an.[35]

Achim Schmid, ehemalige Rechtsrocker und Mitglied der NPD und heutiger Extremismusforscher, gab ein Fanzine „A.f.D.“ für Skins heraus. Es gab eine Reihe von Tonträgern, die diesen Titel trugen, etwa 1996 von einer Band namens Oithanasie.[37][38] Felix Benneckenstein, ehemaliger Musiker in der Neonazi-Szene und heutiger Aussteiger, berichtete 2019 über seine Erfahrungen: „Der Kampf war wichtiger als der eigene Wohlstand, man lebt nach der Parole: Nichts für dich, alles für Deutschland.“[39]

Der Neonazi Sascha Krolzig wurde 2006 vom Oberlandesgericht Hamm wegen Körperverletzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt, denn er hatte am 14. März 2005 anlässlich einer Veranstaltung des ‚„rechten Spektrums“ in Dortmund eine Rede gehalten „und diese mit dem Ausruf ‚Alles für Deutschland‘ beendet, wobei es sich, wie allgemein bekannt ist, um die Losung der SA, d.h. der Sturmabteilung im sogenannten Dritten Reich, handelt.“[40]

Der Soziologe Andreas Kemper kam 2024 zum Schluss: „Der fanatische Totalitarismus des ‚Nichts für uns – alles für Deutschland!‘ wurde in unverbesserlicher Kontinuität auch von Neonazis und NPD-Funktionären weiterverwendet.“[34]

Diverse neonazistische Bands nutzten diese Parole als Albumtitel, darunter neonazistische Bands wie Freikorps, Furor Teutonicus, Oithanasie, Volkszorn, sowie auf einem Sampler (Boots Brothers, Commando Pernod, Kruppstahl, Saccara, Standarte, Sturmtrupp, Triebtäter, Volkszorn, Vortex, White Sharks).[41][42]

AfD Bearbeiten

Im Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017 ließ Ulrich Oehme, Kandidat und späterer Bundestagsabgeordneter der Alternative für Deutschland (AfD), Plakate mit dieser Losung aufhängen. Das Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt, weil ihm nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Halle kein Vorsatz nachzuweisen gewesen sei.[43]

Kay-Uwe Ziegler, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, schloss eine Rede am 9. November 2020 am Grenzdenkmal in Hötensleben mit den Worten „Alles für Deutschland“. Der Landesvorsitzende Martin Reichardt erklärte hierzu: „Der Landesvorstand distanziert sich generell von derartigen Äußerungen. Wir werden in der nächsten Vorstandssitzung mit Herrn Ziegler darüber reden müssen.“ Ziegler teilte später mit, er „habe den historischen Hintergrund des Zitats nicht gekannt“.[44][45]

Im Juni 2021 zeigte Sebastian Striegel, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und Abgeordneter des Landtags von Sachsen-Anhalt, Björn Höcke, Vorsitzenden der AfD Thüringen und Abgeordneten des Landtags von Thüringen, wegen des Schlusssatzes „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!“ bei einem Wahlkampfauftritt am 29. Mai 2021 in Merseburg an.[46] In seiner Entscheidung vom 8. März 2022 über die Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall bezog sich das Verwaltungsgericht Köln unter anderem auf diesen Ausspruch Höckes und nannte ihn „die Losung der SA im Dritten Reich“.[47] Am 14. Mai 2024 wurde Björn Höcke aufgrund dieser Äußerung wegen Verstoßes gegen § 86a StGB durch das Landgericht Halle erstinstanzlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 130 Euro verurteilt.[48] Höcke legte Revision ein; der Fall wird an den Bundesgerichtshof gehen.[49] Auf einer Veranstaltung in Gera soll Höcke im Dezember 2023 als Redner den ersten Teil der Losung „Alles für …“ selbst ausgesprochen und das Publikum animiert haben, „…Deutschland“ zu rufen; die Staatsanwaltschaft Halle erhob Anklage.[50]

Gegenüber Elon Musk erklärte Höcke auf X (Twitter), die deutschen Verbotsparagrafen „zielen darauf ab, Deutschland daran zu hindern, sich selbst wiederzufinden“.[51] Die Politikwissenschaftlerin Kira Ayyadi bezeichnete bereits 2021 die Reden von Höcke als „astreines Dog Whistling (...) mit der man bewusst doppeldeutige und codierte Sprache verwendet. Man sagt Dinge, die man relativ harmlos interpretieren kann, die aber auch eine zweite Bedeutung haben, die die eigene Anhängerschaft eindeutig versteht. Wenn man für die zweite Bedeutung kritisiert wird, kann sich der Redner jedoch als Opfer generieren und beschweren, dass Dinge hineininterpretiert werden.“[52]

Im Mai 2024 postete Cathy Hummels, die vor der in Deutschland stattfindenden Fußball-Europameisterschaft 2024 mit einer Kaufhauskette zusammengearbeitet hatte, auf Instagram ein Foto aus einem Hotelzimmer und schrieb: „Das wird ein grandioses Erlebnis. Alles für Deutschland.“ Später löschte sie diesen Post wieder und sagte, sie habe „die Berichterstattung zu dem Höcke-Prozess nicht mitbekommen“ und nichts über den Hintergrund gewusst. Sie distanzierte sich „ausdrücklich von rechtsradikalen Parolen und Parteien wie der AfD“. Auf X schrieb Höcke daraufhin Mitte Mai 2024, er werde Hummels „leider [...] in Halle anzeigen müssen [...], um die Absurdität des Urteils gegen mich zur Kenntlichkeit zu stellen“.[53] Ende Mai 2024 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in München die Ermittlungen gegen Hummels eingestellt habe.[54]

Strafbarkeit Bearbeiten

In Deutschland ist es nach dem Straftatbestand Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen grundsätzlich verboten, Kennzeichen von bestimmter Organisationen öffentlich oder in einer Versammlung zu verwenden oder zu verbreiten; zudem sind auch bestimmte Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedroht. Schwerpunkt der Anwendung des § 86a StGB sind Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen (§ 86a StGB, hier in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Kennzeichen sind dabei nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere auch Parolen.

Auch die Parole „Alles für Deutschland“ wird als solches Kennzeichen angesehen, da es sich hierbei um die Losung der SA handele. Daher hat (wie oben erwähnt) das Oberlandesgericht Hamm am 1. Februar 2006 entschieden, dass die Nutzung dieser Parole bei öffentlichen Veranstaltungen einen strafbaren Verstoß gegen § 86a StGB darstellte.[40] Entsprechend entschied am 14. Mai 2024 wie oben erwähnt erstinstanzlich das Landgericht Halle.[48] Auch gemäß der deutschen strafrechtlichen Literatur[55][56][57] und beispielsweise der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung[2] ist die Losung ein Kennzeichen im Sinne des Straftatbestandes. In einer Publikation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages heißt es hierzu: „Strafbar ist auch das Verwenden der Sentenz ‚Alles für Deutschland‘ im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung, da es sich hierbei um die Losung der SA handelte.“[58]

Würde man das Eingreifen von § 86a StGB ablehnen, könnte nach dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen auch eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 4 StGB in Betracht kommen.[38]

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Grußarten und Parolen. Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE), abgerufen am 16. Mai 2024.
  2. a b Die extreme Rechte. Symbole und Kennzeichen Grußformen und Losungen. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 16. Mai 2024.
  3. Proklamation König Ludwigs I. von Bayern vom 6. März 1848.
  4. a b Ansgar Neuhof: Auch Sozialdemokraten riefen „Alles für Deutschland“.
  5. Karl Höltermann: Wir wollen nichts für uns – alles für Deutschland! In: Eiserne Front. Vier Aufrufe. Berlin: Dietz, 1932
  6. Bochumer Anzeiger und General-Anzeiger, 3. November 1932
  7. Wann „Alles für Deutschland“ oder „Jedem das Seine“ strafbar sind. Welt, 14. Mai 2024
  8. Kai Döring: Höcke-Zitat „Alles für Deutschland“: Warum die Parole verboten ist. Vorwärts, 16. Mai 2024
  9. Wirtschaftspolitik im SA.Dienst. In: Der SA-Führer Heft 5, 1937, Seite 33
  10. Urteil gegen AfD-Politiker: Nur Geldstrafe für Höcke. taz, 14. Mai 2024
  11. Dieter Lent: Bemerkungen zu Hitlerinterpretationen von Braunschweigern (Deutung und Wahrnehmung von Hitlers Herrschaft und Person). Seite 152
  12. Innsbrucker Nachrichten. 1854-1945 1938. Universität Innsbruck, abgerufen am 22. Mai 2024.
  13. Chronik der Stadt Herford. In: Chronik der Stadt Herford. Abgerufen am 22. Mai 2024.
  14. Invalidenfriedhof. Taz, abgerufen am 22. Mai 2024.
  15. Arnold Juker: Der Fall Gustloff. Abgerufen am 22. Mai 2024.
  16. Aus dem Westdeutschen Beobachter vom Freitag, dem 31.1.1936. RWTH Aachen Archiv, abgerufen am 22. Mai 2024.
  17. Brockauer Zeitung. Zeitung für den Landkreis Breslau 1933 Jg. 33. In: Brockauer Zeitung. Abgerufen am 22. Mai 2024.
  18. Kreisarchiv Calw: Der Gesellschafter - Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Nagold. 1898-... 1943 38 (15.2.1943). Abgerufen am 22. Mai 2024.
  19. Gewalterziehung. Der Ort des Nationalsozialismus in der deutschen Bildungsgeschichte. Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, abgerufen am 22. Mai 2024.
  20. Osttirol 1938: Sogar für den Anschluss zu entlegen. In: Tiroler Tageszeitung. Abgerufen am 22. Mai 2024.
  21. Ernst Röhm: Die nationalsozialistische Revolution und die S.A. Hrsg.: „Die nationalsozialistische Revolution und die S.A.“, in: Monatsschrift für Kulturpolitik und zwischenstaatliche geistige Zusammenarbeit, Herausgeber Dr. jur. Dr. phil. Adolf Morsbach, Heft 6, Juni 1934. 6. Juni 1934.
  22. Fritz Daum: Fritz Daum, Horst Wessel, Reutlingen 1933. 1933.
  23. Max Domarus: Max Domarus, Hitler, Reden 1932 bis 1945, Bd. I, S. 661.
  24. Miguel Serrano: Miguel Serrano, Adolf Hitler, der letzte Avatar, Santiago de Chile 1984, S. 596.
  25. Klaus Kastner: Klaus Kastner, Die Völker klagen an: Der Nürnberger Prozess 1945-1946, Darmstadt 2015, S. 157.
  26. Johannes Öhquist: Vgl. Johannes Öhquist, Das Reich des Führers, Berlin 1940, S. 192.
  27. Jan-Erik Hegemann, Feuerwehrmagazin: SA-Parole hing Jahrzehnte am Feuerwehrhaus. Abgerufen am 26. Mai 2024.
  28. Die Rede Himmlers vor den Gauleitern am 3. August 1944. IFZ, abgerufen am 22. Mai 2024.
  29. Höcke vor Gericht. „Er hat es gewusst.“ t-online Nachrichten für Deutschland, 18. April 2024
  30. Dieter Felbick: Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945–1949. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-017643-2, S. 417; Hervorhebung wie im Original.
  31. Wahlplakat des BdD
  32. Reichsruf-Verlag, Jahreskalender der DRP, S. 2. Reichsruf-Verlag.
  33. HSTA RWV: HSTA RWV 5-174, Blatt 145.
  34. a b c Andreas Kemper: Gansel, Heise, Höcke: „Alles für Deutschland“. 25. April 2024
  35. a b Hans Sigrist et al.: Verbotene Vereinigungen und ihre Auswirkungen auf das Versammlungswesen. S. 63
  36. Alle Feinde des Volkes im Kasten. In: Die Zeit. Abgerufen am 22. Mai 2024.
  37. Steimel: Musik und die rechtsextreme Subkultur.
  38. a b Musik – Mode – Markenzeichen. Rechtsextremismus bei Jugendlichen. Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, Seite 80
  39. 24 Stunden radikal. Exit Deutschland, 11. Mai 2019
  40. a b OLG Hamm, Urteil vom 1. Februar 2006 - 1 Ss 432/05 = NStZ 2007, 45.
  41. Ingo Heiko Steimel: Musik und die rechtsextreme Subkultur. Abgerufen am 26. Mai 2024.
  42. Robert Claus, Esther Lehnert, Yves Müller: »Was ein rechter Mann ist...« Abgerufen am 26. Mai 2024.
  43. Gareth Joswig: AfD-Politiker zitierte SA-Losung: Zähe Ermittlungen gegen Höcke. In: taz.de. 4. Januar 2023, abgerufen am 15. Mai 2024.
  44. Alexander Schierholz: Rede am 9. November: Nazi-Zitat bringt AfD-Landesvize Kay-Uwe Ziegler aus Bitterfeld-Wolfen in Bedrängnis. Mitteldeutsche Zeitung, 23. November 2020
  45. Timo Lehmann: Anzeige gegen Landesvize. AfD-Politiker provoziert mit Nazi-Spruch. 21. November 2020
  46. AfD-Landeschef in Bedrängnis: Thüringer Landtag macht Weg für Anklage gegen Höcke frei. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 16. April 2024]).
  47. VG Köln, Urteil vom 8. März 2022 – 13 K 326/21, Rn. 810.
  48. a b Vorsatz nachgewiesen. LG Halle verurteilt Björn Höcke zu Geldstrafe von 13.000 Euro. Legal Tribune Online (LTO), 14. Mai 2024, abgerufen am 15. Mai 2024.
  49. Verurteilung wegen Verwendung einer SA-Parole Höcke legt Revision ein. LTO, 16. Mai 2024
  50. Verfassungswidrige NS-Parole: Weitere Anklage gegen Thüringens AfD-Chef Höcke. In: mdr.de. 3. April 2024, abgerufen am 15. Mai 2024.
  51. Björn Höcke sucht Unterstützung auf X, Elon Musk antwortet. Spiegel, 8. April 2024
  52. Kira Ayyadi: Immunität von Björn Höcke wegen Nazi-Spruch aufgehoben. 25. November 2021
  53. Björn Höcke kündigt Anzeige gegen Cathy Hummels an www.faz.net, 17. Mai 2024
  54. Nach „Alles für Deutschland“-Post. Münchener Staatsanwaltschaft erhebt keine Anklage gegen Cathy Hummels. In: focus.de. 25. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  55. Detlev Sternberg-Lieben In: Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, StGB § 86a Rn. 3
  56. Mark Steinsiek In: Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. Band 7 §§ 80–121, Berlin, Boston: De Gruyter, 2021, § 86a StGB Rn. 6.
  57. Andreas Stegbauer: Rechtsprechungsübersicht zu den Propaganda- und Äußerungsdelikten. NStZ 2008, S. 73.
  58. Roman Trips-Hebert: Das strafbare Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, 10. November 2021, abgerufen am 5. Mai 2024.